Blogserie #4: Beurteilung von Leistung und Produktivität

4. April 2017 - Katrina Welge

Neue Führungsherausforderung: Leistungsmessung
Bereits beim Einstieg in eine mobil-flexible Arbeitsweise stehen Führungskräfte vor der neuen Herausforderung, die Leistung von örtlich und zeitlich verteilt arbeitenden Mitarbeitenden einzuschätzen. Bei nicht-mobiler Arbeitsweise findet in der gemeinsamen Präsenzzeit oftmals ein automatischer Informationsaustausch zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften statt und es ist für beide Seiten sichtbar, dass und wie gearbeitet wird, was auch eine kontinuierliche Leistungsbeurteilung ermöglicht – oder diese Möglichkeit mindestens suggeriert. Diese Art von Informationen muss nun bei mobil-flexibler Arbeit auf eine andere Art und Weise eingeholt werden. Es muss an dieser Stelle jedoch festgehalten werden, dass allein die Präsenz einer Person am Arbeitsplatz nicht zwangsweise deren Produktivität wiederspiegelt. Nichtsdestotrotz können Führungskräfte durch die physische Präsenz von Mitarbeitenden eher das Gefühl erhalten, die Leistung aktiv beobachten und die Fortschritte kontinuierlich beurteilen zu können. So scheint die Führungskraft im nicht-mobilen Arbeitskontext näher an den Mitarbeitenden zu sein. Diese Art des Führungsmonitorings verändert sich im offenen mobil-flexiblen Rahmen und kann mit  erschwerten Bedingungen für die Leistungsbeurteilung einhergehen. Manche Führungskräfte tendieren in der Folge dann dazu, kleinere und dafür häufigere Aufgaben zu vergeben, was als Zeichen gedeutet werden kann, dass das Loslassen und Vertrauen in die Leistungserbringung der Mitarbeitenden (noch) schwerfällt.

Bestehende Führungsstrukturen aufbrechen
Vor der Einführung mobil-flexibler Arbeitsweisen schien es eine klarere Trennung zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften gegeben zu haben. Führungskräfte beschreiben nämlich, dass bei der mobil-flexiblen Zusammenarbeit die Grenzen zwischen ihnen und den Geführten zunehmend verschwimmen und in der Folge Beurteilungen ungenau würden. Im fortgeschrittenen Umgang mit mobil-flexibler Arbeit werden denn auch die Hierarchien flacher. Eine mögliche Erklärung dafür liegt im Aufbrechen der bestehenden Strukturen: Wenn die klassischen Funktions- und Hierarchiegrenzen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden verschwimmen, kann dies dahin deuten, dass Teammitglieder eigeninitiativ Führungsaufgaben, z.B. zur Koordination oder Aufgabenbearbeitung übernehmen. Dies kann als Anzeichen eines erfolgreichen Teams gewertet werden.

Leistung ergebnisorientiert beurteilen
Mit steigender Flexibilität wandelt sich das Bild von einer prozess- zu einer ergebnisorientierten Führung: Der Prozess zur Leistungserstellung ist weniger sichtbar und scheint daher seitens der Führungskraft nicht bewertet werden zu können. Nichtsdestotrotz ist ihm umso mehr Aufmerksamkeit zu schenken, da die Leistungserbringung unter mobilen Bedingungen manche Mitarbeitende vor neue Herausforderungen stellt. Führungskräften sei daher empfohlen, zunehmend einen delegierenden Führungsstil zu pflegen. So erhalten Führungsinstrumente, wie z.B. «Management by Objectives» (MbO) erneut eine wichtige Bedeutung. Führung durch kontinuierliche Verhaltensbeobachtung und Kontrolle kann dagegen, wenn überhaupt, nur noch teilweise praktiziert werden. Eine hohe MbO-Qualität äussert sich dabei durch drei Kernelemente: hohe und klare Ziele setzen, eine mit den Mitarbeitenden gemeinsam verhandelte Zielsetzung sowie unterjährig gegenseitiges Feedback. Wichtig sind ebenfalls eine regelmässige Überprüfung der Zielerreichung und Unterstützung der Mitarbeitenden seitens der Führungskraft. Diese Unterstützung soll sich nicht durch Kontrolle äussern, sondern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen sich oftmals gezielt Hilfe bei der Priorisierung von Teilzielen und -tätigkeiten. Das Führungsverhalten ist dabei – abhängig von Situation und Aufgabe – oftmals ein Zusammenspiel von Topdown-Führung und Autonomie. Tätigkeiten, die sich positiv auf das Geschäft auswirken, aber nicht Teil der Zielvereinbarungen sind, sollen dabei ebenfalls sichtbar gemacht und wertgeschätzt werden. Gleichzeitig ist es auch so, dass Ziele wenig verbindlich sind, wenn die Zielerreichung nicht regelmässig überprüft wird und insbesondere bei Nichterreichung Massnahmen ergriffen werden.

Führungsverhalten zwischen Vertrauen und Kontrolle
Führungskräfte fragen sich zudem, wie sie den Input (z.B. Arbeitsstunden) gegenüber dem Output (z.B. das tatsächliche Ergebnis) messen und vergleichen können. Wenn Mitarbeitende im Home Office arbeiten, sind die effektiven Arbeitsstunden von aussen nicht direkt sichtbar. Da können beispielsweise gemeinsame Regelung entwickelt werden, wie Input und Output sichtbar gemacht werden kann – z.B. durch regelmässige Updates via E-Mail oder WebCalls. Mit der Übersicht über den Input der Arbeitsleistung der, des Einzelnen ist auch verbunden, dass die Führungskraft die Auslastung ihres gesamten Teams im Blick haben sollte, sodass die Mitarbeitenden nicht zu viel bzw. zu wenig arbeiten. Vor allem dann, wenn diese gleichzeitig noch in andere Projekten involviert sind, die nicht von der eigenen Führungskraft geleitet werden, fungiert ein solches Monitoring der Auslastung im Sinne eines Frühwarnsystems für zu hohe psychische Belastung und Beanspruchung. Wie die personellen Ressourcen innerhalb eines Teams verteilt sind, kann dabei auch innerhalb eines Teammeetings besprochen werden. Doch neben dem Erfassen der Arbeitszeit, das ein Instrument der Inputmessung darstellen kann, setzt hier wohl auch die grösste Herausforderung für Führungskräfte an: den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eher in ihrem Leistungswillen zu vertrauen, als ihre Arbeitsstunden akribisch kontrollieren zu wollen.

Siehe den Blog #5: Neue Rollen- und Kommunikationsmodelle